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Test noch nicht abgeschlossenMedizinprodukte müssen sicher und leistungsfähig sein. Die europäische Medizinprodukteverordnung (Medical Device Regulation, MDR) 2017/745, die von allen Medizinprodukteherstellern seit dem 26. Mai 2021 verpflichtend anzuwenden ist, erhöht die Anforderungen an den Umfang und die Qualität der erforderlichen klinischen Daten, die zum Nachweis für die Konformität der Produkte mit den grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen nutzbar sind, enorm. Zudem ist die Möglichkeit der Nutzung klinischer Daten von vergleichbaren oder ähnlichen Medizinprodukten[1] stark eingeschränkt. Das Sammeln von eigenen klinischen Daten rückt somit stark in den Fokus der MDR und stellt eine große Herausforderung für alle Medizinproduktehersteller dar.
Ohne ausreichende klinische Daten ist eine Zulassung der Medizinprodukte in Europa gemäß MDR nicht mehr möglich. Reichen klinische Daten aus der Literatur, aus der klinischen Erfahrung oder aus bisher durchgeführten klinischen Prüfungen nicht aus, sind Medizinproduktehersteller verpflichtet, eigene klinische Daten zu den Aspekten der Sicherheit und Leistungsfähigkeit im Rahmen zeit- und kostenintensiven klinischen Prüfungen zu erheben. Herausforderungen bei klinischen Prüfungen sind der hohe Personalaufwand, die Komplexität und Planungsunsicherheit sowie der Zugang zu geeigneten Studienzentren. Eine klinische Prüfung wird an freiwilligen Probanden vorgenommen. Für alle klinischen Prüfungen gelten die verschärften Anforderungen der MDR. Diese gelten sowohl für klinische Prüfungen, die dem Nachweis der Konformität dienen, als auch für klinische Prüfungen, die nach der Inverkehrbringung des Medizinprodukts im Rahmen der klinischen Nachbeobachtung zur Überwachung dienen. Die Anforderungen an klinische Prüfungen werden in Artikel 62-82 und Anhang XV der MDR beschrieben. Klinische Prüfungen sind essenziell, um die Bewertung der Sicherheit oder Leistung durchzuführen sowie den klinischen Nutzen bzw. den Mehrwert eines Medizinproduktes nachzuweisen. Die DIN EN ISO 14155 „Klinische Prüfungen von Medizinprodukten am Menschen – Gute klinische Praxis“ definiert die klinische Prüfung als „systematische Prüfung an einer oder mehreren Versuchspersonen(en), die vorgenommen wird, um die klinische Leistungsfähigkeit, medizinische Wirksamkeit oder Sicherheit eines Medizinproduktes zu bewerten“. Der Begriff „Klinische Prüfung“ (clinical investigation) ist gleichbedeutend mit den Begriffen „Klinischer Versuch“ (clinical trial) oder „Klinische Studie“ (clinical study). Die MDR verwendet allerdings den Begriff der „Klinischen Prüfung“.
„Klinische Prüfungen“ sind von „sonstigen klinischen Prüfungen“ abzugrenzen. Sonstige klinische Prüfungen dienen vor allem der Erforschung von neuen Therapieansätzen. Mit Artikel 82 der MDR werden erstmals Anforderungen an „sonstige klinische Prüfungen“ definiert. Alle klinischen Prüfungen eines Medizinproduktes, die nicht zu einem im Artikel 62 definierten Zweck geplant und durchgeführt werden, werden unter den Begriff der „sonstigen klinischen Prüfungen“ gesetzt. Laut § 3 des Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetzes (MPDG), welches das Medizinproduktegesetz (MPG) seit dem 26.05.2021 ablöst, handelt es sich um eine „sonstige klinische Prüfung“, wenn die klinische Prüfung nicht Teil eines systematischen und geplanten Prozesses zur Produktentwicklung oder der Produktbeobachtung ist, nicht mit dem Ziel durchgeführt wird, die Konformität eines Produktes mit den Anforderungen der MDR nachzuweisen, sondern der Beantwortung wissenschaftlicher oder anderer Fragestellungen dient und außerhalb eines klinischen Entwicklungsplans nach Anhang XIV Teil A der MDR erfolgt.
Gemäß MDR wird grundsätzlich zwischen klinischen Prüfungen vor CE- und nach CE-Kennzeichnung eines Medizinproduktes unterschieden. Bei klinischen Prüfungen vor dem Inverkehrbringen unterscheidet man bei den Studientypen Machbarkeitsstudien sowie Zulassungsstudien. Klinische Prüfungen, die nach CE-Kennzeichnung (PMCF-Prüfungen) durchgeführt werden, werden zudem in zwei Kategorien unterteilt, und zwar in a) klinische Prüfungen, die im Rahmen der festgelegten Zweckbestimmung erfolgen (MDR-Artikel 74 Absatz 1) oder b) klinische Prüfungen außerhalb der festgelegten Zweckbestimmung, in denen die Zweckbestimmung erweitert oder abgeändert werden soll (MDR-Artikel 74 Absatz 2). Je nach Status der Zulassung (Vor oder nach CE-Kennzeichnung) und Zielsetzung der klinischen Prüfung gelten für die klinische Prüfung eines Medizinproduktes die Artikel 62, Artikel 74 oder Artikel 82 der MDR.
Abbildung 1: Klinische Prüfungen von Medizinprodukten gemäß MDR & MPDG
Für alle klinischen Prüfungen und sonstige klinische Prüfungen gelten seit dem 26.05.2021 die verschärften Anforderungen der MDR mit Blick auf Umfang und Qualität der klinischen Daten. Neben der MDR ist seit dem 26. Mai 2021 das neue Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz (MPDG) für Medizinprodukte, dass das Medizinproduktgesetz (MPG) ablöst, verbindlich. Es dient der Durchführung der MDR und ergänzt diese durch nationale Vorgaben. Die zentralen Ziele des MPDGs sind Regeln des Verkehrs von Medizinprodukten, Gewährleistung von Sicherheit, Eignung und Leistung der Produkte sowie Sicherstellung des Schutzes von Patienten, Anwendern und Dritten. Mit dem MPDG treten die Medizinprodukte-Verordnung (MPV), die Verordnung über klinische Prüfungen von Medizinprodukten (MPKPV) vollständig außer Kraft. Die Medizinprodukte-Sicherheitsplanverordnung (MPSV) wird durch die neue Medizinprodukte-Anwendermelde- und Informationsverordnung (MPAMIV), die die Meldung von Vorkommnissen für Medizinprodukte regelt, abgelöst. Für In-Vitro-Diagnostika gelten bis zum Geltungsbeginn der Verordnung (EU) 2017/746 (IVDR) das MPG, die MPV, die MPKPV und die MPSV weiterhin wirksam.
Das Kapitel 4 der MPDG „Klinische Prüfungen und sonstige klinische Prüfungen“ beschreibt alle Vorschriften, wie Hersteller klinische Prüfungen zu beantragen, zu beginnen, durchzuführen und zu überwachen haben. Alle Voraussetzungen für den Beginn von klinischen Prüfungen, Verfahren bei der Ethik-Kommission und bei der Bundesoberbehörde, Verfahren bei Änderungen und Korrekturmaßnahmen sowie Pflichten bei der Durchführung und Überwachung von klinischen Prüfungen werden erläutert und sollten im Zusammenhang mit der MDR beachtet werden. Die MPDG-Anforderungen gehen dabei über die Anforderungen der MDR hinaus. Beachten Sie in diesem Zusammenhang auch die am 16.04.2021 vom Bundestag beschlossenen Änderungen zum MPDG z. B. bezüglich § 63 der Meldepflichten des Prüfers oder Hauptprüfers an den Sponsor einer klinischen Prüfung.
Für alle klinischen Prüfungen, die bei der Bundesbehörde beantragt oder angezeigt werden müssen, gilt ab dem Geltungsbeginn der MDR, dass Meldungen von schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen (SAEs) und Produktmängeln nach Vorgabe der MDR in Verbindung mit dem MPDG zu erfolgen haben. Die entsprechenden Formulare liegen auf der Seite des BfArMs vor.
Für weitere Vorgaben für die Planung und Durchführung von klinischen Prüfungen sollten die DIN EN ISO 14155, die Good Clinical Practice, die Deklaration von Helsinki (DoH) sowie die Leitfäden der Medical Device Coordination Group (MCG) bezüglich klinischer Prüfungen berücksichtigt werden.
Die Frage, ob eine klinische Prüfung notwendig ist, hängt von der Risikoklasse des Produktes, dem Innovationsgrad (Materialien, therapeutische Wirkung), der vorliegenden klinischen Evidenz zum Produkt oder eines gleichartigen Produkts (Sicherheit, Leistung, Nutzen), dem Entwicklungsstadium, dem Regulierungsstatus des Produkts sowie von möglichen Restrisiken oder offenen Fragen wie selten Komplikationen oder Ungewissheiten bezüglich der mittel- und langfristigen Leitungsfähigkeit und Sicherheit ab (Abklärung dieser Fragen in PMCF-Prüfungen). Für ein Medizinprodukt mit einem hohen Maß an Risiko und hohen Innovationsgrad wird bei einer geringen klinischen Evidenz (schlechte Datengrundlage, wenig Publikationen, wenig durchgeführte Studien, kein Vergleichsprodukt, auf das man sich beziehen kann) eine klinische Prüfung notwendig sein, um ausreichend klinische Daten, die den Anforderungen der MDR genügen, zu sammeln.
Für implantierbare Produkte und Produkte der Klasse III (mit wenigen Ausnahmen, siehe Abschnitt 3.3) sind klinische Prüfungen gemäß MDR obligatorisch. Die Sicherheit und Leistung dieser Produkte sind mit klinischen Daten zu belegen, die mit dem Produkt selbst generiert worden sind (MDR-Artikel 61). Liegt beispielsweise ein Vergleichsprodukt mit ausreichender klinischer Evidenz eines anderen Herstellers zu einem Medizinprodukt ohne CE-Markierung vor, muss gemäß MDR im Falle, dass kein vollständiger Zugriff auf die technische Dokumentation des Vergleichsprodukt-Herstellers besteht, eine klinische Prüfung (Zulassungsstudie) durchgeführt werden.
[1] Produkte, die zur gleichen generischen Produktgruppe gehören. Die MDR definiert dies als Gruppe von Produkten mit gleichen oder ähnlichen Zweckbestimmungen oder mit technologischen Gemeinsamkeiten, die allgemein, also ohne Berücksichtigung spezifischer Merkmale, klassifiziert werden können.